PROJEKTINFORMATIONEN

Der Firmenname J. A. Topf & Söhne in Erfurt steht wie kaum ein anderer für die Mitschuld der Wirtschaft an dem durch die Nationalsozialisten in vielerlei Weise industriell betriebenen Massenmord.

Ab 1878 betrieb Johannes Andreas Topf (1816-1891), von Beruf Braumeister und Brauereitechniker, in Erfurt ein feuerungstechnisches Baugeschäft. Seine Söhne gründeten am 1. April 1885 die Firma neu als J. A. Topf & Söhne, Spezialgeschäft für Heizungsanlagen, Brauerei- und Mälzereieinrichtungen. Seit 1889 war der Firmensitz am Sorbenweg 7-9 in Erfurt. Der Familienbetrieb entwickelte sich unter Ludwig Topf (1863-1914) in den nächsten Jahrzehnten zu einem Großunternehmen und weltweit führenden Produzenten für komplette Mälzereianlagen, die Einrichtung von Speichern und Getreidepflege-Anlagen einschließlich pneumatischer und mechanischer Fördereinrichtungen sowie den Feuerungsbau (einschließlich Bekohlungs- und Entaschungsanlagen).

Nebenzweig der Produktion wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Herstellung von Krematorien für kommunale Friedhöfe und Verbrennungsöfen für Krankenhäuser. Seine höchste Beschäftigungszahl hatte der Betrieb 1939 mit einer Belegschaft von 1.150 Arbeitern und Angestellten. 1944 waren es 791 Mitarbeiter, darunter eine erhebliche Anzahl Zwangsarbeiter.

Ab 1939 errichtete die Firma im Auftrag der SS in mehreren Konzentrationslagern – darunter Auschwitz - Krematorien zum Verbrennen der Leichen der ermordeten oder auf andere Art ums Leben gekommenen Häftlinge sowie Lüftungsanlagen für Gaskammern. Sie trägt damit eine Mitverantwortung an der industriell organisierten Massenvernichtung von Menschen durch die Nationalsozialisten.

Das Unternehmen in Erfurt wurde im November 1945 durch die sowjetische Besatzungsmacht unter Zwangsverwaltung gestellt, 1947 in thüringisches Landeseigentum übergeführt und am 1. Juni 1948 in Staatseigentum umgewandelt. Unter dem Namen Nagema Topfwerke Erfurt VEB wurde der Betrieb an die VVB Nagema angegliedert. Am 30. April 1952 wurde die VEB Maschinenfabrik nach dem einen Monat zuvor hingerichteten griechischen Freiheitskämpfer Nikos Belojannis (1915-1952) benannt. Dem folgten später noch weitere kurzlebige Namensänderungen. Der Bereich Krematoriumsofenbau wurde aufgelöst. Im Jahr 1957 wurde der Betrieb, welcher zu dieser Zeit rund 800 Mitarbeiter beschäftigte, in VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau (EMS) umbenannt und der Bereich industrielle Feuerungsanlagen ganz aufgegeben. 1970 wurde der VEB EMS in das Kombinat FORTSCHRITT Landmaschinen Dresden eingegliedert. Vor allem in Osteuropa konnte er seine führende Stellung behaupten. Im Kontext der politischen und wirtschaftlichen Wende stellte sich das Unternehmen 1993 in Fortführung traditioneller Erzeugnisse des Mälzerei- und Silobaus sowie Anlagen der Umwelttechnik als Erfurter Mälzerei- und Speicherbau GmbH (EMS) und unter erheblichem Personalabbau den Bedingungen der freien Marktwirtschaft, musste allerdings bereits 1996 Konkurs anmelden.

Nach dem bereits 1982 ein kleiner Teil der Betriebsunterlagen in das damalige Staatsarchiv Weimar gelangt war und auch das Stadtarchiv Erfurt weiteres Unternehmensschriftgut übernommen hatte, erhielt das Hauptstaatsarchiv Weimar im Jahr 2003 wichtige Firmendokumente aus dem Nachlass von Jean-Claude Pressac (1944-2003). Darunter befand sich auch zahlreiches Fotomaterial.

Die Firma hatte dieses insbesondere für die betriebsinterne Dokumentation und Werbezwecken von zahlreichen ihrer Produkte, Industrieanlagen, dem Werksgelände sowie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anfertigen lassen. Das Unternehmen, das durch seine Mittäterschaft am Holocaust bekannt ist, wird mit diesem Fundus in seiner Produktvielfalt sichtbar. Nachvollziehbar wird dadurch auch, wie technische Entwicklungen, die eigentlich dem Wohle der Menschen dienen sollten, schließlich zu Bauteilen für den industriellen Massenmordes wurden.

Im Rahmen des von Prof. Dr. Alf Lüdtke (Universität Erfurt) initiierten Projektes Industriefotographie – J. A. Topf & Söhne wurden in den letzten Jahren durch Studierende rund 2.700 Fotografien aus dem Weimarer Bestand erfasst, erschlossen und digitalisiert. Durch das Hauptstaatsarchiv wurden die Erschließungsinformationen 2017/18 überarbeitet und für die Präsentation vorbereitet. Der Öffentlichkeit wird damit ein wichtiges Beispiel der Industriefotografie in Thüringen zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Im Internet werden nun zunächst 371 Fotos präsentiert, die sich durch einen entsprechenden Aufdruck eindeutig als Werksfotos nachweisen lassen, für deren Nutzung das Landesarchiv Thüringen in der Nachfolge des im Jahr 1996 in Konkurs gegangenen Betriebs steht. Derzeit wird geprüft, an welchen weiteren Fotos ein eindeutiges Nutzungsrecht des Archivs nachweisbar ist, um auch diese in das Portal einzustellen.

Im Jahr 2015 kamen zu den Werksfotos noch einmal rund 4 900 Glasplattennegative hinzu, welche das Stadtarchiv Erfurt im Rahmen der Bestandszusammenführung an das Hauptstaatsarchiv Weimar abgab. Die Glasplattennegative werden derzeit gereinigt, konservatorisch behandelt und archivgerecht verpackt. Sie sollen in einem weiteren Schritt später ebenfalls digitalisiert und mit den bereits bearbeiteten Fotos abgeglichen werden.

Die im Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar verwahrten Akten sind recherchierbar im Archivportal Thüringen (www.archive-in-thüringen.de) unter:

J. A. Topf & Söhne

http://www.archive-in-thueringen.de/de/findbuch/view/bestand/25197

 

Sammlung Jean-Claude Pressac

http://www.archive-in-thueringen.de/de/findbuch/view/bestand/28306

 

Weitere Informationen zur Geschichte der Firma Topf & Söhne

  • Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz  www.topfundsoehne.de

  • Jean-Claude-Pressac: Auschwitz. Technique and operation of the gas chambers. Beate Klarsfeld Foundation. New York 1989  https://www.historiography-project.com/books/pressac-auschwitz/3.php

  • Jean-Claude-Pressac: Die-Krematorien-Auschwitz. Piper, München 1994.

  • Alf Lüdtke: Deutsche Qualitätsarbeit. Ihre Bedeutung für das Mitmachen von Arbeitern und Unternehmern im Nationalsozialismus. In: A. Assmann, F. Hiddemann, E. Schwarzenberger (Hg.), Firma Topf & Söhne. Hersteller der Öfen für Auschwitz. Ein Fabrikgelände als Erinnerungsort?, Campus Verlag, Frankfurt a.M. 2002, S. 123 - 138.

  • Gitta Günther/Bernhard Post: Akten der Firma J. A. Topf & Söhne aus Frankreich nach Thüringen zurückgekehrt. In: Archive in Thüringen. Mitteilungsblatt 1/2004, S. 9- 12. https://zs.thulb.uni-jena.de/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00198051/ait1_2004.pdf

  • Annegret Schüle: Industrie und Holocaust. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz. Herausgegeben von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. 3., durchgesehene und erweiterte Auflage. Wallstein Verlag, Göttingen 2017.

  • Annegret Schüle: J. A. Topf & Söhne. Ein Erfurter Familienunternehmen und der Holocaust. 2. durchgesehene Auflage. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen. Erfurt 2017.

  • Karen Bartlett: Architects of Death. The Family who engineered the Holocaust. Biteback Publishing, London 2018.